Schritt 6 > klären: "Wie verarbeiten?"


Beachten

  • Ein möglichst normaler Arbeitsbetrieb - unter dem Gesichtspunkt der sehr unterschiedlichen persönlichen Betroffenheit - gibt das stabilisierende Gefühl zurück, dass nicht alles zusammenbricht
  • Diese bekannten Strukturen geben Sicherheit


 Achtung

  • In guter Absicht immer wieder gefragt zu werden und über das Erlebte reden zu müssen, kann die Betroffenen retraumatisieren
  • Für die Verarbeitung des Erlebten ist unter Umständen professionelle Hilfe nötig


 Notieren Sie sich als Berufsbildner / Vorgesetzter / Abteilungsleiter die Umstände

  1. Todestag / Tag des Ereignisses
  2. Datum der Bestattung
  3. Geburtstag des betroffenen Lernenden / Mitarbeitenden
  4. Letzter Tag vor Feier- und / oder Ferientagen

damit Sie

  • Nach einer Woche / nach einem Monat / vor den Ferien
  • Oder an einem Fest, besonderen Anlass
  • Am Jahrestag

darauf zurück kommen können und das ev. sonderbare, auffällige Verhalten einzelner Lernenden / Mitarbeitenden besser verstehen, dem damaligen Verlust zuordnen und mit angemessenem Verständnis reagieren können

Grundsätzlich

Folgende Bereiche prägen die Verarbeitung des Ereignisses

  • Der Tod durch ein Naturereignis (Lawine, Hochwasser, Erdbeben) wird in der Verarbeitung anders wahrgenommen als zum Beispiel den Unfalltod durch Eigenschuld, fahrlässigem oder unvorsichtigem Verhalten
  • Sehr belastend ist der Tod durch Gewalteinwirkung (man made disaster) >> Todesursache / >> Suizidalität, Suizid (-versuch)
  • Der Ort (im Betriebsareal, auf der Skipiste, im Lager etc.), wo jemand gestorben ist > Todesort  / >> Art und Ort des Todes
  • Die tatsächliche Schuld, Fahrlässigkeit, Vorsatz der Handlung, die zum Ereignis geführt hat >> Schuldgefühle
  • Zudem reagieren die Betroffenen sehr unterschiedlich in ihrer Ausdrucksweise von Trauer und brauchen mehr / weniger Zeit, um das Erlebte einordnen zu können
  • Ebenfalls ist für die Bearbeitung die Frage wichtig: "Hat er / sie noch gelitten?"
  • Beantworten Sie solche Fragen ehrlich und nur, wenn Sie es wissen


 Klären von möglichen Aussagen

  • "Man konnte gar nichts mehr tun" >>  Die meisten Menschen wollen helfen oder irgendetwas tun können; wenn der Unfall / Todesfall bereits passierte und es war unmöglich zu helfen (zu grosse Eigengefährdung, bereits abgesperrt), so belastet das zusätzlich >> Hilfreich in der nachträglichen Betreuung sind Fragen zu Hilflosigkeit und zur Geschichte und zur Befindlichkeit
  • "Es wurde vergeblich versucht, zu helfen" >> Die meisten Menschen sind froh, wenn sie irgendetwas tun können, um zu helfen; wenn aber die Hilfe (Ziehen aus der Gefahrenzone, ERSTE HILE- Massnahme) erfolglos war, entwickeln viele Scham- und Schuldgefühle >> Hilfreich in der nachträglichen Betreuung sind Fragen zu Scham- und Schuldgefühlen 
  • "Es ist bisher noch nie etwas passiert" >> Aus dem Nichts geschieht etwas Schlimmes, ohne Vorwarnung, ohne Vorbereitung, ohne Vorkenntnis >> Hilfreich in der nachträglichen Betreuung ist die Reflexion über das eigene Verständnis von Verstehbarkeit, Machbarkeit, Handhabbarkeit, Sinnhaftigkeit und  über die "Schicksalhaftigkeit" der Welt und seiner Unvorhersehbarkeit
  • "Es ist zum wiederholten Mal passiert" >> Eine "alte, allenfalls unverarbeitete Geschichte" kann damit reaktiviert werden, die den Fokus auf das aktuelle Ereignis trübt und zusätzlich belastet; allenfalls werden Muster / Wiederholungen "erkannt", die den Umgang mit dem aktuellen Ereignis behindern, weil zu rasch Vergleiche mit dem vergangenen "Fall" angestellt werden und dem neuen Ereignis dadurch nicht genügend Aufmerksamkeit zu kommt >> Hilfreich in der Verarbeitung ist die sorgfältige Problemerfassung, die dazu führt, diesen aktuellen "Fall" in seiner ganz eigenen Dynamik und Ausgestaltung wahrzunehmen und zu verarbeiten



Suizid:

 Wichtig Ebene von Lernenden im MODUL SCHULE des KRISENKOMPASS

  • Gefahr der Nachahmung (Suizidale Entwicklung, Risikofaktoren)
  • Heroisierung der Tat (Umgang mit Suizidgefährdeten)
  • Bagatellisierung der zur Tat führenden Probleme oder der Internetforen
  • Disqualifizierung der Suizid als Selbsmord
  • Suizidfantasien, Warnzeichen
  • Wie suizidale Personen ansprechen?


Beachten bei einem Suizid einer Führungskraft (Berufsbildner / Vorgesetzter)

  • Es ist besonders auf diejenigen zu achten, die der Person ablehnend gegenüberstanden
  • Sie brauchen einen Ort, an dem sie über ihr schlechtes Gewissen oder ihre Schuldgefühle reden können
  • Einige fühlen sich mitverantwortlich, weil sie diesen Vorgesetzten geärgert haben usw.


 Achtung

 Grundsätzlich

  • Hilfreich sind vorurteilslose Zuwendung, Eindeutigkeit, Sicherheit, Schutz, klare und verständliche Regeln
  • Dazu gehören:
    • Interesse an der Person und Mitgefühl zeigen
    • Förderung der Interessen (Sprache Musik, Sport, Spiel)
    • Begleitung und Befähigung in möglichst vielen Bereichen des Lebens (Wiederermächtigung)
    • Vermitteln von fähigen Kulturvermittlern, Dolmetschern
    • Verbindung zu den Eltern / Vernetzung, gemeinsame Aktivitäten
    • Nicht bedrängende Bereitschaft zum Gespräch zeigen
    • Ehrliche Antworten geben
    • Immer wieder gestellte Fragen geduldig beantworten
    • Alle Reaktionen, Gedanken und Gefühle als angemessen zulassen
    • Keine unrealistischen Versprechungen zusagen
    • Non-verbale Äusserungen durch Kreativität oder Symbolhandlungen / Rituale fördern
    • Vermeidungsstrategien beachten und umlenken
    • Veränderungen im Alltag erklären
    • Verlässliche Tagesabläufe und Strukturen garantieren


 Beachten in den ersten Tagen

  • Gesprächsangebote für Lernende mehrmals wiederholen (dabei geeignete Symbolhandlung und Rituale einsetzen)
  • Trauerort / Gedenkstätte einrichten
  • Gemeinsame eine Todesanzeige verfassen
  • Vor Ende der Woche einen ersten, wohl vorübergehenden und wenn möglich gemeinsam vorbereiteten Abschluss finden (z.B. Interne multireligiöse Gedenkfeier, Schweige- / Gedenkminute), dabei geeignete Symbolhandlung und Rituale einsetzen


 Planen

  • Allfällige Teilnahme an der Bestattung
  • Und / oder alternative Abschiedsfeier: multireligiös / überreligiös oder konfessionell



 Beachten, nach ein paar Tagen, in den ersten Wochen